
Unsichere PrognoseDas Handwerk erwartet keine Entspannung
Das Handwerk geht mit großer Unsicherheit in das neue Jahr. „Angesichts der vielen Unwägbarkeiten und Risiken ist eine seriöse Prognose für 2023 nicht möglich“, sagt Eckhard Sudmeyer, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade. Unklar sei vor allem, wie sich die geopolitische Lage weiterentwickeln werde. „Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hatten sich die Lieferschwierigkeiten bei Holz, Getreide und anderen Rohstoffen in 2022 nochmals verschärft. Energieintensive Handwerksbetriebe wie Bäcker, Fleischer oder Textilreiniger leiden außerdem unter den Energiepreissteigerungen“, erklärt Sudmeyer. Die Erholung der Handwerkskonjunktur nach der Corona-Pandemie habe dadurch einen deutlichen Dämpfer erlitten. Zwar werde die aktuelle Geschäftslage in den meisten Handwerkbetrieben noch relativ gut eingeschätzt, die Zukunftserwartungen seien jedoch pessimistischer. So erwarteten in der Herbstkonjunkturumfrage 2022 der Handwerkskammer 55 Prozent der befragten Betriebe eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage.
„Wir hören von vielen Betrieben, dass momentan deutlich weniger Neuaufträge kommen. Diese fehlenden Aufträge drohen spätestens im Frühjahr zu einem Einbruch der aktuell noch robusten Geschäftslage im Handwerk zu führen“, befürchtet Sudmeyer. Die hohe Inflation drücke zudem auf die Konsumstimmung der Verbraucher und führe zu einer spürbaren Kaufzurückhaltung. Gleichzeitig ließen hohe Energie- und Einkaufspreise die Herstellungskosten steigen, ohne dass die Betriebe ihre Mehrkosten in erforderlichem Maß an die Kundschaft weitergeben könnten. „Durch die Erstattung der Dezember-Abschlagszahlung für Gas und die rückwirkend ab Januar geltenden Energiepreisbremsen für Strom und Gas werden die Energiekosten für die Handwerksbetriebe zumindest kalkulierbarer und die Belastungen zumindest gedeckelt.“ Sudmeyer erwartet aber für die kommenden Monate keine Entspannung, sondern weiterhin gestörte Lieferketten und hohe Energiepreise.
Auch das bislang krisenfeste Bau- und Ausbaugewerbe drohe in diesem Jahr als Konjunkturstabilisator wegzufallen. „Der Zinsanstieg und die gestiegenen Baupreise durchkreuzen die Eigenheimpläne privater Bauherren und führen zu Auftragsrückgängen“, sagt Sudmeyer. Für zusätzliche Unsicherheit sorgten zwischenzeitliche Förderstopps, die Kürzungen der Förderung im Neubaubereich und verschärfte Förderbedingungen bei der energetischen Sanierung. Auch wenn Sudmeyer auf Impulse durch die im Jahressteuergesetz beschlossenen verbesserten Abschreibungsbedingungen im Wohnungsbau und die Steuer- und Bürokratieentlastungen für bestimmte Photovoltaikanlagen hofft, so schätzt er die Finanzierungsbedingungen angesichts weiter ansteigender Zinsen und der hohen Baupreise jedoch als schwierig ein. „Für die Beschleunigung der Energiewende sind daher verlässliche und verbesserte Förderprogramme erforderlich, insbesondere im Bereich der energetischen Sanierung“, so Sudmeyer. Eine große Herausforderung bliebe zudem unverändert die Suche nach Fachkräften.
Das sagen unsere Betriebe
Meike Ossenbrügge, Fleischermeisterin und Inhaberin Fleischerei Ossenbrügge
"Ich schaue optimistisch auf 2023, denn eigentlich kann es gar nicht mehr schlimmer werden als das abgelaufene Jahr. Hohe Energie- und Rohstoffpreise, aber auch Tierseuchen wie die Geflügelgrippe im letzten Frühjahr sind äußere Einflüsse, die wir nicht ändern können. Wir müssen sie als gegeben hinnehmen und lernen, damit umzugehen. Für mein Warenangebot bedeutet das zum Beispiel, dass nicht mehr alles zu jeder Zeit verfügbar ist. Ich kann und will meinen Kunden keine Rinderbäckchen anbieten, die mehr kosten als ein ordentliches Steak. Hier muss auch ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden. Meine Kunden zeigen Verständnis - auch dafür, dass ich die Preise anpassen musste."
Carsten Richter, Bäckermeister und Inhaber Richters Altstadt-Bäckerei GmbH & Co. KG
"Ich gehe nicht mit hohen Erwartungen ins neue Jahr, dann werde ich auch nicht so enttäuscht. Meinen Leuten sage ich immer ‚Wir kommen da durch!‘. Durch vernünftige Investitionen in den letzten Jahren schaffen wir auch dieses Jahr – auch wenn uns gleich zu Jahresbeginn neue Rohstoffpreiserhöhungen beschäftigen. Immerhin haben wir durch den Abschluss neuer Verträge im Bereich der Energiekosten nun mehr Planungssicherheit. Letztendlich müssen wir uns einfach auf hohe Energie- und Rohstoffpreise einstellen. Das bietet gleichzeitig aber auch Chancen, das Thema Regionalität weiter voranzutreiben. Mittlerweile werden unsere Kürbiskerne direkt bei uns in Wolfenbüttel und in Goslar angepflanzt."
Oliver Schatta, Kfz-Meister und Inhaber Autohaus Schatta
"Auf das neue Jahr schaue ich mit Spannung und Zuversicht. Ich sage immer, dass es für jedes Problem auch Lösungen gibt. Als Handwerker und Unternehmer sind wir gefragt, uns auf neue Situationen einzulassen und anzupacken. Das erfordert mitunter auch kreative Lösungen von uns. Bei uns in der Werkstatt haben wir im letzten Jahr die Hohlraumversiegelung mit Korrosionsschutz neu ins Angebot aufgenommen. Damit machen wir Fahrzeuge fit für die Zukunft. Auch bei unseren Kunden stellen wir ein Umdenken fest: Autos, die vor ein paar Jahren noch gegen neue PKWs ausgetauscht worden wären, landen nun zur Reparatur bei uns in der Werkstatt. Es wird also wieder mehr repariert - das ist gut und nachhaltig."
Norbert Schmudlach, Autodienst Schmudlach GmbH & Co. KG
"Ich sehe das Jahr 2023 vorsichtig optimistisch. Die beschlossene Energiepreisbremse wird zwar weiter für hohe Energiekosten sorgen, ist aber politisch das richtige Signal. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit und vor allem positive Nachrichten. Die bisher beschlossenen Maßnahmen sind ein richtiger Schritt in diese Richtung. Die Entwicklung der Preise und des Rohstoffmangels sehe ich als kritisch an. Das Handwerk wird Schwierigkeiten haben, die ständig steigenden Preise eins zu eins an den Endkunden weiterzugeben. Daher erwarte ich eine Rezession. Insbesondere die Bauwirtschaft, die über Jahre hinweg eine Vollauslastung erfahren hatte, wird aus meiner Sicht betroffen sein. Unser Unternehmen hat trotz der verhaltenen Prognosen mit Neu- und Umbauten in die Zukunft investiert, um die Prozesse und Arbeitsabläufe zu verbessern. Alle unsere Prozesse unterliegen einer ständigen Kostenanalyse und unsere Preise werden regelmäßig überprüft. War vor Jahren noch eine jährliche Kostenkalkulation üblich, schauen wir aktuell monatlich auf die Preisentwicklung."