Studium und Handwerk?

Auf dem individuellen Bildungsweg gibt es kein richtig oder falsch. Eine Friseurmeisterin und eine Auszubildende zur Malerin berichten über ihre akademischen Abschlüsse und dem Angekommensein im Handwerk.

Friseurmeisterin Michaela Marek schneidet die Haare einer Kundin
Bauerfeld / Handwerkskammer


Direkt zurück zum Glück

Von der Friseurmeisterin zur Wirtschaftspsychologin und doch wieder zurück ins Handwerk.

Auf dem optimalen Bildungsweg kommt erst das Abitur und anschließend ein Studium, oder nicht? „Meine Eltern waren gar nicht begeistert, dass ich nach der Schule eine Ausbildung zur Friseurin machen wollte“, erinnert sich Michaela Marek. Der Beruf der Maskenbildnerin und Hairstylistin sei jedoch ihr absoluter Traumberuf gewesen. Nach ihrer Lehrzeit absolvierte sie ihre Gesellenprüfung, besuchte anschließend die Meisterschule, wurde Friseurtrainerin. „Mit meinen kleinen Kindern war dann an eine Selbstständigkeit nicht zu denken, mit dem Angestelltenverhältnis war ich zunächst zufrieden“, sagt die Meisterin. Doch es habe sie ein Gefühl beschlichen: „Soll es das schon gewesen sein?“ Die Friseurmeisterin fängt an zu studieren: „Es sollte etwas Branchenfremdes sein“, erzählt sie. Irgendwie ein Neuanfang, sie sei ja auf nichts wirklich festgelegt gewesen. Sie entschied sich für die Wirtschaftspsychologie. Betriebswirtschaftliches fiel ihr leicht, kannte sie doch vieles bereits aus der Meisterschule. Die Zeit mit den Kommilitonen war laut Marek bereichernd, die persönliche Weiterentwicklung enorm, das Unterschätzt werden als Friseurin in der Hochschule eine ganz neue Erfahrung. Und dennoch: „Die Schere habe ich nie ganz aus der Hand gelegt“, erzählt Michaela Marek lächelnd. Nebenbei habe sie weiter in ihrem Handwerk gearbeitet.

Mit der bestandenen Bachelorprüfung sei schnell der Job in der neuen Branche angenommen worden. „In einem Großkonzern habe ich Kundenakquise betrieben. Das Geld hat gestimmt, die Arbeit leider nicht“, erinnert sich die 50-Jährige. Das Arbeiten mit Menschen, ihren Haaren und Bedürfnissen habe ihr so sehr gefehlt, dass der Weg zurück ins Handwerk nicht schwerfiel. Der Businessplan war mit den erworbenen BWL-Kenntnissen schnell geschrieben, habe die Banken beeindruckt: „Ich habe mich viel mit Henna und ökologischen Friseurprodukten auseinandergesetzt, wollte mich abgrenzen.“ Dann sei alles sehr schnell gegangen: 2022 die Salon-Eröffnung in Leiferde bei Gifhorn, schnell wurde der Kundenstamm größer, die gute Anbindung direkt am Bahnhof ist ein Vorteil für Kunden aus Wolfsburg und Hannover, ein weiterer Mitarbeitender wäre toll. „Das Tempo hat mich überrascht“, sagt Michaela Marek. Der Abstecher in die akademische Laufbahn fühle sich heute aber keineswegs falsch oder überflüssig an. „Ohne Lebensplan lebt es sich flexibler – ich habe es ausprobiert und nun das Richtige für mich gefunden“, betont sie

Lieber Kreativität als Beamtentum

Katrin Thomas nutzt ihre Erfahrung an der Hochschule für ihre Karriere im Familienbetrieb.

Zwei Maler stehen vor einer Wand
Bauerfeld / Handwerkskammer

Das Richtige für Katrin Thomas sollte das Lehramt sein. Direkt nach dem Abitur ging es auf die Universität, das Mitarbeiten im Malerbetrieb des Vaters war zunächst keine Option. „Ich mag das Arbeiten mit Kindern, die Jobchancen sind groß“, erklärt die 30-Jährige. Nach dem erfolgreichen Staatsexamen sollten dann zwei Jahre Praxis in einer Grundschule folgen. Hierbei habe sich die Referendarin jedoch unwohl gefühlt. „Plötzlich hat mir das Kreative und Gestalterische sehr gefehlt“, erinnert sie sich. Nach gründlicher Abwägung der Alternativen habe sie das Referendariat abgebrochen, sich doch eher im Handwerk gesehen. „Mein Bruder stand bereits in den Startlöchern zur Betriebsübernahme unseres Familienunternehmens“, erzählt die Apenserin. Nun auch einsteigen zu wollen, zunächst als Auszubildende, sollten alle mittragen. Die Einigkeit zwischen den Eltern und mit ihrem Bruder sei ihr wichtig gewesen: „Es sollte sich für alle gut anfühlen, wenn ich nun doch Teil des Betriebs werde.“

Stefan Thomas und Sohn Björn waren begeistert, schmiedeten Pläne, wie sogar eine gemeinsame Betriebsführung gelingen könnte. Katrin Thomas startet ihre Lehrzeit, fühlt sich sehr wohl mit ihren Aufgaben. Schriftzüge, Farbgestaltung, sehr Individuelles bearbeite sie am Liebsten. „Ich habe großen Spaß an der Arbeit und kann mir viel vorstellen für die Zukunft in meinem Handwerk“, sagt sie. Ihren Meistertitel hätte sie gern, eine stille Teilhaberschaft in einer GmbH schwebe ihrem Bruder und ihr vor. Die Zeit an der Hochschule bereut sie nicht: „Es fühlt sich überhaupt nicht an, als würde ich einen Rückschritt machen“, betont die Malerauszubildende. Die Zeit habe hervorragend herauskristallisiert, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. „Vielleicht kann ich mit meinem Werdegang nebenbei in der Berufsschule tätig werden“, schwebt ihr vor. Zunächst wolle sie sich aber auf den Familienbetrieb konzentrieren: „Ich möchte die digitalen Möglichkeiten, auch in den sozialen Netzwerken, stärker für uns nutzen.“

Schon gewusst?

  • Ein Studium und eine Berufsausbildung gleichzeitig zu absolvieren, das bieten im Bezirk der Handwerkskammer verschiedene Hochschulen an.
  • Studienabbrecher können sich bei der Handwerkskammer beraten lassen.
  • Mit einem Weiterbildungsstipendium können bei Eignung weitere berufliche Qualifizierungen finanziert werden
  • Wer keine Lust auf Hochschule hat, macht den Meister und bekommt 4000 Euro Prämie für die bestandene Abschlussprüfung
  • Eine absolvierte Meisterprüfung berechtigt zum Studieren an jeder deutschen Universität.
  • Mit dem Aufstiegsstipendium bekommen Berufserfahrene Unterstützung bei der Durchführung der eines ersten akademischen Hochschulstudiums.


Studium oder Handwerksberuf?

Interview mit Dominik Bogenschneider, Abteilungsleiter Prüfungswesen und Anerkennungsverfahren bei der Handwerkskammer Braunschweig- Lüneburg-Stade.